Rauchen gilt nicht mehr als cool, und es ist definitiv nicht gesund. Aber welche Maßnahmen kann die Politik ergreifen, um Österreich, ähnlich wie Schweden, rauchfrei zu machen? Diese Frage wurde von renommierten Gesundheitsexperten in einer hochkarätigen Diskussionsrunde im Bund sozialdemokratischer Akademiker:innen (BSA) erörtert. Mag. Ortrun Gauper, Vorstandsmitglied VGW im BSA, führte die Diskussion mit Univ. Doz. Dr. Ernest Groman, dem wissenschaftlichen Leiter des Nikotin Instituts Wien, Hon. Prof. (FH) Dr. Bernhard Rupp, MBA, Leiter der Abteilung Gesundheitspolitik in der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich, Mag. Ronald Scheucher, Volkswirt bei Mainland Economics, sowie dem Nationalratsabgeordneten Christian Drobits, SPÖ-Bereichssprecher für Datenschutz und Konsumentenschutz im Nationalrat. Die Experten teilten ihre Expertise und diskutierten mögliche Lösungsansätze.
In vielen Ländern weltweit ist Rauchen gesellschaftlich geächtet, und zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen die gesundheitlichen Schäden. Dennoch greifen etwa 20 Prozent der Weltbevölkerung regelmäßig zur Zigarette. Viele von ihnen versuchen jedoch immer wieder, mit dem Rauchen aufzuhören, weshalb der Rauchstopp seit Jahrzehnten an erster Stelle der Neujahrsvorsätze steht. Aber wie kann man dieses Ziel erreichen?
Schweden als Vorbild Schweden hat im Bereich des Nikotinkonsums gezeigt, wie man die Menschen beim Rauchstopp unterstützen kann: Alternative Nikotinprodukte haben sich dort als erfolgreich im Kampf gegen die Zigarette erwiesen. Schweden steht kurz davor, de facto rauchfrei zu sein. Im Rest von Europa, auch in Österreich, ist man davon noch weit entfernt.
Ernest Groman ist mit dem schwedischen Modell gut vertraut und sieht darin ein wegweisendes Vorbild für andere EU-Länder: „Wenn es um einen flächendeckenden Rauchstopp der Bevölkerung geht, ist eine strenge Verbotspolitik in den meisten Fällen nicht zielführend. Das lehrt uns die Erfahrung der vergangenen Jahrzehnte. Gerade in der Medizin und in der Suchtprävention haben sich alternative Wege wie der Harm-Reduction-Ansatz sowie Information und Aufklärung begleitet von gezielten Regulierungsmaßnahmen schon oft als die erfolgreichere Herangehensweise erwiesen.“ Groman fordert eine praxisorientierte Herangehensweise der Politik sowie europaweit einheitliche Regelungen, um Europa rauchfrei zu machen.
Auch Bernhard Rupp empfiehlt einen Blick nach Skandinavien: „Ich wünsche mir in Diskussionen rund um den Tabakkonsum weniger puritanischen Eifer und mehr evidenzbasierten Austausch von Argumenten zur Nutzenbewertung von Harm-Reduction-Maßnahmen auf der fachlichen und gesundheitspolitischen Ebene. Bei illegalen Substanzen und Alkohol ist das hierzulande längst gelungen.“
Ronald Scheucher sieht in einem Harm-Reduction-Ansatz nicht zuletzt auch volkswirtschaftliche Kostenvorteile: „Jahr für Jahr belasten Mortalität und Morbidität, die unmittelbar und mittelbar mit dem Rauchen von Tabakprodukten in Zusammenhang stehen, über hohe Kosten im Gesundheitssystem und bedeutende Produktivitätsausfälle unsere Volkswirtschaft stark. Seit Jahrzehnten ringen wir dabei national und international um Lösungen, die uns dem Ziel einer rauchfreien Gesellschaft bisher nur wenig nähergebracht haben. Es ist nun höchste Zeit für Ansätze, so pragmatisch sie auch sein mögen, die hier rasch Fortschritte und damit Entlastungen bringen.“ Speziell nicht brennbare Nikotinprodukte haben dabei das Potenzial, den Tabakkonsum und das Nutzungsverhalten radikal, im Sinne politischer Zielsetzungen, zu verändern. Österreich, aber auch die EU als Ganzes, könnten von erfolgreichen internationalen Beispielen – wie z.B. Schweden – viel lernen. Sie weisen den Weg, wie man über mehrdimensionale Strategien unter Nutzung von Marktmechanismen, schädliches Tabakrauchen sukzessive zurückdrängen und damit Belastungen für die Gesellschaft erfolgreich reduzieren können.
Günther Sidl, Abgeordneter zum Europäischen Parlament und Mitglied im ENVI-Ausschuss, spricht sich ebenfalls für einen praxisorientierten Zugang aus: „Die Gesundheit der Bevölkerung steht immer an erster Stelle. Die Politik ist hier in der Verantwortung, alle notwendigen Mittel zu ergreifen, um die Gesundheit aller zu schützen und gleichzeitig diejenigen zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Risikoreduzierung sowie Maßnahmen zur Vorbeugung und Senkung der Prävalenz von nicht übertragbaren Krankheiten spielen hierbei eine zentrale Rolle, wie vor kurzem auch vom ENVI-Ausschuss des Europäischen Parlaments vorgeschlagen. Eine europaweit einheitliche Regelung für alternative Nikotinprodukte, umfassende Aufklärung und ein strenger Jugendschutz wären daher begrüßenswert.“
Jugendschutz steht auch für Christian Drobits an erster Stelle, der sich im Rahmen der Diskussion umfassende Studien zu den gesundheitlichen Auswirkungen dieser alternativen Nikotinprodukte wünscht: „Im Kontext des Rauchens zielt Harm-Reduction darauf ab, die Gesundheitsrisiken für Raucher zu vermindern, indem die klassische Zigarette durch Alternativen wie E-Zigaretten oder Nikotinbeutel ersetzt wird. Raucher, die zu diesen Produkten wechseln, sind jedoch immer noch abhängig von Nikotin. Sie sind weiterhin den Risiken von krebserregenden und giftigen Stoffen ausgesetzt, die mit dem Nikotinkonsum einhergehen. Jeder Zug an einer Zigarette, egal welcher Art, ist ein Gesundheitsrisiko.“ Zudem fordert er auch strengere gesetzliche Regelungen und begrüßte in diesem Zusammenhang den intensiven Austausch mit den anwesenden Expert:innen, die viele wertvolle Informationen und neue Aspekte in die Diskussion eingebracht haben. Dazu lädt er sie zu weiterführenden Gesprächen ins Parlament ein.
Basierend auf einer Pressemitteilung von AGGURAT vom 5.12.2023
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